Freitag, 21. Februar 2014

Können wir noch selber sehen?

Eduard Kaeser führte in der NZZ aus, dass obgleich die Wissenschafter kundtun, dass simultanes Ausführen von Aufgaben leistungsschwächend bis schädlich sei, man trotzdem immer wieder von Leuten höre, die es können? Warum behauptet der Betrunkene, sicher Auto fahren zu können? Die Antwort lautet: Weil das Ausüben einer Tätigkeit und das Beobachten dieser Ausübung zwei verschiedene Kompetenzen sind. Ein Gerät kann gewisse Fähigkeiten – das Ausüben – verstärken und erweitern, im gleichen Zug andere – das Beobachten – abschwächen. Kaeser bezeichnet dies generell als das Paradox der abschwächenden Verstärkung.
Sicher, fährt er in seinem Artikel fort, mag es hilfreich und vielleicht sogar prickelnd sein, durch die Google-Brille zu erfahren, dass man gerade mit der Schönheitskönigin der Färöer spricht, dass sie letzten Winter einen Skiunfall in der Lenzerheide hatte und im dritten Monat schwanger ist. Darüber informiert nun der Computer auf der Nase, nicht die Gesprächspartnerin. Sie rückt ab in die distanzierte Gegenwart einer «augmented reality». Kaeser scheint es, als würden wir nicht in der gleichen Welt leben; in der Tat bestehen eklatante Unterschiede zwischen der reellen und der virtuellen Welt.
Im technisierten Alltag sind mittlerweile die Verlockungen der neuen Geräte bekannt, die uns mit Echtzeit-Informationen eindecken und uns in einen digitalen Kokon einspinnen. Umso wichtiger erschiene deshalb, dass wir uns – möglichst frühzeitig – in der alten Fähigkeit üben, mit eigenen Augen zu sehen, schrieb Kaeser in der renomierten Neuen Zürcher Zeitung. Das bedeutet, sich nicht zu sehr an die «Verstärkungen» des Geräts zu gewöhnen. Denn Gewohnheit macht bekanntlich blind. In diesem Fall: Google-blind. Technik kann auch dann problematisch werden, wenn sie zu gut funktioniert; wenn sie zu einem Teil von uns selbst wird. Dann nämlich kann sich die Google-Brille – wie einer ihrer Designer, Thad Starner, es nennt – nicht nur zu einer Killerapplikation entwickeln, sondern zu einer «Killerexistenzform».
Quelle: NZZ

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