Die im März als «Google-Killer» angekündigte «rechnende Wissensmaschine» (computational knowledge engine) von Stephen Wolfram sorgte für Wirbel in Blogs und Zeitungen. Nun ist Wolfram Alpha in Betrieb.
Bei Faktenfragen aus Mathematik, Technik, Naturwissenschaften, Linguistik und Wirtschaft, die sich mit Zahlen, Tabellen, Schaubildern oder Formeln beantworten lassen, klappt das gut: Die eingegebene Zahlenreihe "2, 3, 5, 7" erkennt Wolfram Alpha als Beginn der Primzahlen und setzt sie entsprechend fort. Die Frage nach "H2SO4" zeigt unter anderem eine 3D-Darstellung eines Schwefelsäuremoleküls, "uncle's uncle's brother's son" klärt entfernte Verwandtschaftsverhältnisse per Stammbaum, "2 cups orange juice + 1 slice of cheddar cheese" enthüllt Kalorien- und Proteingehalt des Morgenessens.
Auch die IP-Adresse des anfragenden Computers wird mit einbezogen, etwa bei der Bitte um eine Himmelskarte – im Browser erscheint die aktuelle Konstellation der Gestirne bezogen auf den Aufenthaltsort des Benutzers. Etwas missverständlich war die Andeutung, der Webdienst werde natürliche Sprache verstehen: Jedem, der es gewohnt ist, mit einer Maschine über Zeichenketten wie "integrate x^3 sin^2 x dx" zu kommunizieren, mag eine Formulierung wie "population density Japan vs. Germany" wie natürliche Sprache vorkommen. Aber für den 08-15-Benutzer ist das anspruchsvoll. Das liegt aber nicht nur an den grundsätzlichen Schwierigkeiten von Computern mit natürlicher Sprache, sondern auch daran, dass die Antwortmaschine eben nicht das ganze Web, sondern nur ausgesuchte Quellen durchsucht. Für die Suche nach Billigferien, Kochrezepten, Gerüchten oder Klatsch ist Wolfram Alpha weder gedacht noch geeignet – ein Google-Killer, womit der Webdienst im Vorfeld oft verwechselt wurde, sieht anders aus; hingegen eine praktische Ergänzung.
Google hingegen hat vorerst in der englischen Version einige Erweiterungen eingebaut, welche in Richtung Zukunft weisen. Doch bekanntlich sind die letzten zehn Pozent der Entwicklung am schwierigsten. Optional können Ergebnisse nur vom gleichen Tag, Monat oder Jahr angezeigt werden oder aber ausschließlich Videodateien. Auch die bereits gestorben geglaubte «Timeline» mit der chroologischen Auflistung ist wieder da! Das ist praktisch für wissenschaftliche Recherchen. Das «Zauberrad» erinnert an Clusty und präsentiert verwandte Themen. Weitere Funktionen erlauben, Suchergebnisse in Tabellenform zum Vergleich nebeneinanderzustellen und Metadaten zum Suchergebnis anzuzeigen.
Im Gegensatz zum nicht nur als Google-Killer gehanadelten, sondern auch so angekündigten Wikia Search, scheint Wolfram Alpha im Numerischen, faktischen und statistischen Bereich grosses Potential zu haben. Bei den neuen Funktionen des Marktführeres braucht man sich wenig Sorgen zu machen; viel mehr deutet ihre Einführung darauf hin, dass sie, alle schon von Nischenanbietern eingeführt, sich nun rasch etablieren werden.
Quelle: Heise Onine
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