Der Streit der Datenschützer mit Google um die detailreichen Strassenaufnahmen ist etwas aus der Öffentlichkeit gerückt. Gelöst ist er jedoch noch lange nicht. Das amerikanische Unternehmen verzichtet zur Zeit auf Aufnahmen in der Grossregion Zürich, grast dafür das Tessin ab. Die detailreichen Strassenbilder haben etliche Kritiker mobilisiert. Deren Befürchtungen teilen allerdings nicht alle Beobachter. Ein interessanter Beitrag der Neuen Zürcher Zeitung befasste sich mit den rechtlichen Aspekten des Daten- und des Persönlichkeitsschutzes.
Vor rund 100 Jahren ermächtigte das Schweizer Zivilgesetzbuch (ZGB) jemanden, der «in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt ist», gegen alle Verletzer den Richter anzurufen (Art. 28). «Persönlichkeit» hat der Gesetzgeber bewusst nicht definiert: Das würden die Gerichte schon entwickeln. So geschah es.
Grenzen der Öffentlichkeit
Heute gilt «Persönlichkeit» als Bündel von Facetten, die individuelle Züge der Persönlichkeit ausmachen. Eine wichtige solche Facette ist das Recht am eigenen Bild. Wer sich in Gruppen auf der Strasse bewegt oder im Stadion sitzt, nimmt in Kauf, beiläufig abgebildet zu werden; sonst soll er zu Hause bleiben. Am Stadioneingang warnen Plakate und Aufdrucke auf den Billetten, dass die Kamera die Besucher im Schwenkbereich erfassen kann. Anderseits muss der werktags gestylte Börsenhändler, der auf der Fussballtribüne das Hemd auszieht, nicht dulden, von der Kamera halbnackt aus der Menge herangezoomt und so publiziert zu werden.
Eine solch «fokussierte» Verletzung des Rechts am eigenen Bild ist widerrechtlich, ausser es liegt ein Rechtfertigungsgrund vor – so etwa ein überwiegendes öffentliches Interesse, mit dem meist die Medien ihre Nahaufnahmen rechtfertigen (Bundespräsident Merz am Cup-Final, ein protestierender Bauernführer an der Demo). Am Richter ist es, in den gar nicht seltenen Prozessen die Abwägung im Einzelfall vorzunehmen. Erst vor 15 Jahren hat das Parlament beschlossen, dass das ZGB angesichts der rasant beschleunigten Bild- und Speichertechnologie nicht mehr ausreicht. Es erliess das Datenschutzgesetz (DSG), um das ZGB zu ergänzen und zu präzisieren.
Heute sind Individuen berechtigt, im Sinne der Selbstbestimmung über Einträge ihrer Daten informiert zu werden, ja sogar Korrekturen zu erzwingen. «Gesammelt und bearbeitet werden so viele persönliche Daten wie nötig und so wenige wie möglich».
Wenn die versprochene automatische Unkenntlichmachung von Gesichtern und Autonummern oder die Löschung eines im Garten ab der Autodachkamera Abgebildeten nicht erfolgt, können Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Der Datenschutzbeauftragte tut gut daran, Google beim Wort zu nehmen und mit einem Sperrantrag gemäss ZGB und DSG bei den Bundesgerichten zu drohen – solange die vollmundigen Datenschutzversprechen des Datengrossversorgers Google nicht annähernd perfekt funktionieren.
Quelle/ganzer Artikel: Neue Zürcher Zeitung, 4. September 2009.
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