Freitag, 22. Januar 2010

Mittelalterliche Sippenhaftung

Jeder Händler ist frei, mit wem er Geschäfte macht. Wer seine Rechnungen stets pünktlich zahlt, ist als Kunde normalerweise gerne gesehen. Nicht so bei Amazon: Kunden werden nicht mehr beliefert, weil etwa der Lebenspartner der volljährigen Tochter eine Rechnung offen stehen hat.

Immer wieder wird über das Sammeln von Daten berichtet. Das grösste Problem ist aber vermutlich weniger das Sammeln und die Haltung der Daten, sondern die Auswertung und Verknüpfung. Immer häufiger sperrt zum Beipiel Amazon Kundenkonten, obwohl der entsprechende Kunde sich absolut nichts zuschulen liessen. Wie Amazon auf die Idee kommt, eine Lieferung nicht auszuführen, weil der Freund der 30jährigen Tochter des Bestellers (welche seit Jahren in einer anderen Gemeinde wohnt) eine Rechnung offen hat, ist nicht nachvollziehbar. Ebenso nicht nachvollziehbar ist, dass die nicht bekanntgegebenen Gründe nach einem Monat plötzlich nicht mir gelten - nämlich nachdem die Frankfurter Rundschau über diesen Fall mittelalterlicher Sippenhaftung berichtet hatte.

Wie das renommierte Magazin für Computer-Technik (c't) in seiner Ausgabe 1/2010 berichtet, liegen im diverse ähnlich gelagerte Fälle vor, wo auch Nachbarn oder zufällig gleich heissende Leute zu den Opfern des amerikanischen Internethändlers gehören. Zwar behauptet, dieser Konten nur zu sperren, wenn verschiedene Kriterien übereinstimmen, was im geschilderten Fall höchstens schwer nachvollziehbar ist.

Die Politik beginnt sich gerade in die Thematik des Datensammelns und der Datenspeicherung einzuarbeiten. In der Praxis stellt sich aber je länger desto mehr die Frage, wie die gesammelten Daten verarbeitet werden. Dies ist absolut undurchsichtig; gemäss c't werden die entsprechenden Algorithmen besser gehgütet als das Rezept von Coca-Cola. Wer mehr wissen will, der stösst auf eine Mauer des Schweigens: Die Datenauswerter verschanzen sich hinter jenem Datenschutz, der geschaffen wurde, um solches zu vermeiden. Es scheint, als würden wir die Geister, die wir riefen, nicht mehr los.

Quelle: c't 1/2010, p. 66 ff.

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