Zwar wird die Verknappung der IP-Adressen seit Jahren mittels eines Verfahrens (Network Adress Translation) entschärft, über das mehrere private oder firmeninterne Rechner dieselbe öffentliche IP-Adresse nutzen. Auch wenn das Nachteile bringt und gegen das Prinzip verstösst, wonach jeder Rechner im Netz direkt ansteuerbar sein sollte.
Eine zukunftsgerichtete Lösung des Problems verspricht aber nur IPv6: das Internet-Protokoll der nächsten Generation. Es schafft die Voraussetzungen, dass dem Wachstum des Internets nach heutigem Ermessen keine Grenzen mehr gesetzt sind. Dafür soll der neue Standard dank einer unglaublichen Zahl an verfügbaren Adressen sorgen (siehe Kasten).
Viele Vorteile mit IPv6
Schnelle Remedur ist schon deswegen nötig, weil der Bedarf an zusätzlichen IP-Adressen schneller wächst denn je. Einerseits wird das Internet in Schwellenländern immer populärer, andererseits explodiert der Internetzugriff via Natel. Gemäss Ericsson hat die Zahl der Mobiltelefonbenutzer im Juli die Schwelle von 5 Milliarden überschritten. Griffen 2009 erst 360 Millionen Anwender via Natel aufs Web zu, soll sich die Zahl laut Ericsson bis 2015 auf 3,4 Milliarden vervielfachen.
Ein weiterer Wachstumsmotor mit noch grösserem Potenzial ist das sich anbahnende Internet der Dinge. Darunter versteht man die Vernetzung von Gegenständen, Geräten und Maschinen, die miteinander kommunizieren. In der Testphase sind etwa Autos, die zur Erhöhung der Verkehrssicherheit miteinander Informationen austauschen. Szenarien sind auch intelligente Stromzähler, die Verbrauchswerte automatisch an das EW melden, oder Hundehalsbänder mit eigener IP-Adresse, die Fidos Standort auf einer Website anzeigen können. Ericsson prognostiziert, dass bis Ende des Jahrzehnts 50 Milliarden Geräte via Internet miteinander verbunden sein werden – und alle brauchen eine Internet-Adresse.
Der Umstieg auf IPv6 bietet mehr als nur einen grösseren Adressraum. Das Protokoll überwindet auch weitere Grenzen, an die das Internet gestossen ist. Mit dem neuen Standard können sich Geräte durch Autokonfiguration einfacher ins Netz einwählen, der Transport der Daten wird optimiert, und IPv6 verspricht mehr Sicherheit. Dafür ist unter anderem der gigantische, aufgrund seiner Dimension kaum «bevölkerte» Adressraum verantwortlich. Er erschwert es den Herstellern von Viren und anderer Malware, das Adresssystem auf der Suche nach PC zu scannen. Manche Fachleute meinen, aus ökonomischer Sicht sei der Zeitaufwand dafür zu gross. Ein Fortschritt bringt auch die Erweiterung IPv6 Mobile, die mobile Geräte unabhängig von ihrem Standort mit einer fixen Adresse versieht. Heute gibt es allerdings noch kaum Natels, die für den neuen Standard schon gerüstet sind.
Hohe Investitionskosten
Es spricht also vieles für IPv6, und dennoch wird der bereits 1998 verabschiedete Standard schleppend eingeführt. Obwohl die OECD Regierungen und Internet-Provider zu einem raschen Umstieg drängt, können heute erst 5 Prozent der rund 1800 Subnetze des Internets mit IPv6-Technik umgehen. Eine Hemmschwelle sind die Investitionen in Hard- und Software, welche die Netzbetreiber leisten müssen. Zu den ersten Internet-Providern, die in der Schweiz vornehmlich für Firmen IPv6-Zugänge anbieten, gehören unter anderen Init7, Genotec und Interway.
Weil erst wenige Websites auch über IPv6 oder gar ausschliesslich über das neue Protokoll zu erreichen sind, besteht wenig Zugzwang. Solange das Protokoll keinen Durchbruch vermeldet, ist der Reiz, Websites mit IPv6-Adressen anzubieten, gering. Für Fachleute ist klar, dass die nicht kompatiblen Standards über Jahre parallel betrieben werden und Provider Übersetzungsverfahren oder einen sogenannten Dual-Stack-Modus nutzen müssen, bis die Zukunft die Vergangenheit abgelöst hat.
Quelle: Neue Zürcher Zeitung, leicht bearbeitet
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