Donnerstag, 18. April 2013

Firma sucht Bewerber: Versprechen und was dahinter ist

Foto: personalitydesk.com
Stellensuche im gedruckten Stellenanzeiger, das war gestern. Schon seit Jahren gibt es elektronische Stellenanzeiger, vermehrt wird auch in Sozialen Netzwerken nach Stellen und künftigen Stelleninhabern gesucht. Dieser Wandel stellt ale Beteiligten vor Herausforderungen, ist doch nichts mehr so, wie es war; es eröffnen sich jedoch auch ganz neue Möglichkeiten, eine neue Stelle oder einen geeigneten Bewerber zu finden.

Das erstes Werkzeug, das sich für Personalverantwortliche äusserst gut eignet, ist Jobvite. Es integriert alle Mitarbeiter einer Firma in den Ausschreibungsprozess. Die Stellen werden intern freigeschalten und können dann von allen Angestellten der Firma eingesehen werden, vor dem hintergrund, die Stellen dann über die eigenen privaten Kanäle zu verteilen. Jobvite nutzt die Vernetzung der einzelnen Mitarbeiter perfekt aus, sodass die einzelnen Stellen quasi durch Mundpropoganda die richtigen Stelleninhaber finden.

Einzelne Funktionen sind Mikroseiten für die Stellen oder eine Facebookapplikation sowie ein CRM, das die Kandidaten vom Erstkontakt bis zur Auswahl über Jobvite führt. Somit kann der Bewerbungsprozess direkt in Jobvite durchgeführt und verfolgt werden.

The Resumator ist ein etwas klassischeres und noch weniger soziales CRM für die Stellenausschreibung. Die Bewerber melden sich über die Plattform an und ihre Dossier werden dort hinterlegt. Durch das automatisierte Kategorisieren und Auswerten von Bewerbern wird eine Vorselektion erstellt. Zusätzlich kann man direkt Absagen erteilen oder den Bewerber für das weitere Vorgehen kontaktieren.

Neben diesen eigentlichen Bewerbersuchplattformen im Netz, werden auch immer mehr soziale Netzwerke fürs Anwerben genutzt. Im Stellenmarkt von Linkedin oder Xing, das sich auf den deutschsprachigen Raum konzentriert, kann die Personalabteilung ihre freien Stellenangebote veröffentlichen.  Kandidaten bewerben sich dann direkt oder werden auf eine Landeseite geführt. Daraufhin kann mit den gewünschten Kandidaten direkt in Kontakt aufgenommen werden. Ausserdem werden vom System als passende Stellen potentiellen Kandidaten durch Linkedin, respektive Xing auf ihrer Einstiegseite vorgeschlage. Da eine Standardeinstellung ist, man sei auf diesem sozialen Netzwerk, da man nach einer neuen Stelle Ausschau halte, ist hier mit grossen Streuverlusten zu rechnen. 

Damit dieses automatisierte vorgehen überhaupt funktionieren kann, müssen die Profile der Bewerber dementsprechend gestaltet sein. Linkedin gibt dazu sieben Tips:

  • aktuelle Position angeben
  • zwei ehemalige Positionen
  • Ausbildung
  • Profilzusammenfassung
  • Profilfoto das wirkt
  • unbedingt Spezialgebiete angeben
  • mindestens drei Empfehlungen einholen

Letzteres ist bei Linkedin gratis, bei Xing jedoch kostenpflichtig. Wichtig ist, dass man die richtigen Schlagworte verwendet. Unter welchen Begriffen will ein potentieller Kandidat gefunden werden? Diese Worte müssen dann unbedingt im Profilslogan, bei Berufserfahrung, den Zielen, Spezialgebieten und Interessen vorkommen. Erfahrungsgemäss klappt dies jedoch höchstens bei gradlinigen Karrieren einigermassen. Wenn jobs.ch einem Sozialwissenschafter Stellen als Oberarzt und Hebamme vorschlägt, obgleich dieser in seinem hinterlegten Lebenslauf keinerlei medizinische Ausbildung oder überhaupt Stichworte vorweist, dann ist der Algorythmus noch nicht ausgereift.

Wie schwierig das ist, mussten auch die F.A.Z. und die NZZ merken, welche gemeinsam mit Serendi im Januar 2013 das Karrierenportal Careermatch lancierten, das seither im Beta, um nicht zu sagen Alpha-Stadium stehengeblieben ist und nach einem ersten Inserat auch nicht mehr beworben wird. Es ist immerhin zu hoffen, dass die Funkstille genutzt wird, um die guten Ideen wenigstens in einem zweiten Anlauf effektiv umzusetzen. Dass die mobile Rekrutierung nur langsam auf dem Vormarsch ist, hätten die Leute von der Falkenstrasse eigentlich wissen müssen, haben sie dies doch bereits am 27. Oktober 2012 im eigenen Blatt berichtet…

Zuletzt darf man nicht vergessen: Zwar gibt es viele Möglichkeiten, um sich auf dem Arbeitsmarkt anzubieten und in manchen Branchen gehört ein Profil auf Xing oder Linkedin schlicht dazu. Seriöse Anbieter suchen jedoch nur innerhalb des Netzwerkes, sodass es nicht nötig ist, das Profil auch für Suchmaschinen suchbar zu schalten. Der Schutz der Privatsphäre darf nicht vergessen werden!

Samstag, 6. April 2013

Einsamkeit als Problem
moderner Gesellschaften

Bild:Caspar David Friedrich
Ob Handy, Facebook oder Twitter: In einem Zeitalter, in dem die technische Kommunikation immer mehr überhandnimmt, mag die Frage nach der Einsamkeit antiquiert erscheinen. Und doch gibt es sie, die Augenblicke der Leere. Ein Gastbeitrag von Hans Peter Dreitzel.

Es scheint ein Widerspruch: Die Vernetzung unter den Menschen nimmt immer mehr zu, und doch fühlen sich immer mehr Menschen von Einsamkeit bedroht. Historisch gesehen leben wir in einer Gesellschaft, in der die Chance, in Kontakt zu fremden Menschen zu gelangen, unvergleichlich hoch ist. Das liegt zum einen daran, dass Verstädterung und Globalisierung zu immer grösserer Mobilität zwingen, und zum anderen an der rasanten Entwicklung der elektronischen Kommunikationstechniken. Indes sind die allermeisten Begegnungen mit anderen Menschen flüchtiger Natur: Man sieht sich bei der Arbeit, im Verkehr, beim Einkauf, auf Behörden, beim Arzt, also in Situationen, in denen nur das Nötigste gesprochen wird. Oder man trifft sich bei Konferenzen, auf Geschäftsreisen, in den Ferien oder bei sportlicher Betätigung. Auch hier bleiben die Kontakte fast immer kurzfristig, oft einmalig: zum Abschied ein unverbindliches «Man sieht sich . . .», «Wir telefonieren mal!». Diese Kontakte bleiben auf partielle soziale Rollen beschränkt, sind dem Augenblick verhaftet und von vornherein aufs Vergessen angelegt.

Entindividualisierte Begegnungen
Soziologen haben in modernen Gesellschaften immer wieder einen durchgängigen Individualisierungsprozess erkennen wollen. Das scheint aber nur für die ganz engen Beziehungen zuzutreffen, für die die ganze Persönlichkeit eines Menschen relevant ist. In anderen Bereichen des sozialen Miteinanders ist eher das Gegenteil zu beobachten:
eine Entindividualisierung unserer Begegnungen. Diese Tendenz steigert sich noch in der Virtualisierung unserer Kontakte durch die elektronischen Medien: Dort lässt sich einerseits eine Hypertrophie der Kontakte, etwa durch die ständige Erreichbarkeit per Handy oder E-Mail, beobachten und andererseits ein Verlust an persönlichen, sinnlich erfahrbaren Begegnungen mit einem leibhaftigen Gegenüber. Im Chatroom wird der andere vollends zum Phantom: Die Identität des Gesprächspartners ist nicht mehr feststellbar, und mit der Zurechenbarkeit der Äusserungen schwindet auch die Verantwortlichkeit für sie.

Zwar sind heute unsere meisten Kontakte mit fremden Menschen nicht mehr bedrohlicher Natur; wir müssen normalerweise nicht fürchten, dass der mir Fremde mich beraubt oder gewalttätig wird (gerade diese allgemeine Friedlichkeitserwartung macht die jugendlichen U-Bahn-Schläger so unheimlich). Aber unsere meisten Kontakte mit anderen Menschen sind funktionaler Natur und befriedigen damit nicht unser fundamentales Bedürfnis danach, als ganze Person mit unseren eigenen biografisch gewonnenen Erfahrungen und Kompetenzen, Neigungen und Eigenschaften wahrgenommen zu werden. «Nur auf dem Umweg über andere hat sich der Mensch» (H. Plessner).

Das ist ein alter Erkenntnis-Grundsatz der philosophischen Anthropologie. Erst im Spiegel solcher, denen wir vertraut sind, können wir unsere eigene Identität ausbilden und behaupten. Wir brauchen also andere Menschen nicht nur zur Bewältigung von Aufgaben, die besser kooperativ gelöst werden können, wir brauchen sie auch zum Austausch und zum Mit-Teilen unserer inneren Erfahrungen, unserer Gefühle und Empfindungen, die sich eben nur auf dem Umweg über andere klären lassen und als sinnvoll erfahren werden können. Menschen aber, die uns dieses notwendige Gegenüber sein können, sind – im krassen Gegensatz zur Vielzahl unserer funktionalen Kontakte – ein knappes Gut. Daher die immer häufiger empfundene Bedrohung durch die Möglichkeit zu vereinsamen.

Blosses Allein-Sein freilich macht noch nicht einsam, wie man sich umgekehrt gerade auch in der Menge sehr einsam fühlen kann. Allein zu sein, ist ein Zustand – Einsamkeit ist ein Gefühl, dessen doppelter Kern aus der Angst vor Hilflosigkeit und dem Mangel an physischen und psychischen Streicheleinheiten besteht. Jeder Mensch braucht Hautkontakt – und braucht auch Anerkennung durch Wertschätzung. Dass geteiltes Leid halbes Leid und geteilte Freude doppelte Freude ist, das sind Erfahrungen, die jeder Mensch, der in einer unzerstörten Familie aufgewachsen ist, schon in seiner Kindheit gemacht hat und die das ganze Leben lang als Sehnsuchtsbild alle Partnersuche von innen her steuern.

Die auf das Elternpaar mit ein, zwei Kindern reduzierte Familie, die kinderlosen Paare und die selten gewordenen engen Freundschaften sind die letzten verbliebenen Refugien menschlicher Begegnungen, in denen von vornherein und immer die Person als ganze gemeint ist. Wer solche ganzheitliche Beziehungen entbehren muss, wird ständig mit Einsamkeitsgefühlen zu kämpfen haben.

Nicht alle sind vernetzt
Es gibt Positionen im sozialen Gefüge, die dafür besonders anfällig sind. Da sind die allein lebenden Alten, die nur noch geringe Chancen haben, einen Partner zu finden, und denen das Know-how für den Zugang zu den Internetforen fehlt. Da sind die frisch Geschiedenen, die mit ihrem Partner oft einen grossen Teil ihres alten Freundes- und Bekanntenkreises verlieren. Da sind die Flüchtlinge, die die neue Sprache noch nicht beherrschen. Da sind die durch Mobbing Isolierten, die kaum noch jemanden finden, der zu ihnen hält. Da sind die Abhängigen, die mit ihrer Sucht alle ihre Kontakte zerstören. Und da sind die im Wahnsinn Gefangenen, deren inneres Erleben sie der Welt entfremdet. Diesen Menschen ist gemeinsam, dass ihnen die kulturellen Mittel fehlen, die erst den Zugang zu den Kontakten mit anderen Menschen ermöglichen. Kontakte zu knüpfen und Partnerschaften einzugehen, wird aber heute gesellschaftlich von jedem erwachsenen Menschen wie selbstverständlich erwartet. Wer dabei scheitert, erlebt sich leicht als Versager und schämt sich dafür – was dann die Kontaktchancen weiter mindert und die Suche nach therapeutischer Hilfe blockiert.


Hans Peter Dreitzel ist Professor em. für Soziologie und Gestalt-Psychotherapeut. Zuletzt erschienen: «Gestalt und Prozess. Eine psychotherapeutische Diagnostik» (2004). Der Beitrag erschien in der gedruckten Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung.