Montag, 24. Dezember 2012

La bibliothèque mise en lumière

Henri Labrouste (1801-1875) est l’un des rares architectes du XIXe siècle dont l’œuvre n’a jamais cessé d’être une référence tant en France qu’à l’étranger. 

La rationalité des solutions qu’il a mises en œuvre, la puissance de ses réalisations, l’étrange singularité de leurs ornements et surtout l’importance accordée aux matériaux nouveaux (particulièrement au fer et à la fonte) font de son œuvre un jalon essentiel dans l’histoire de l’architecture.

Sa carrière est dominée par la construction de deux chefs-d’œuvre à Paris: la bibliothèque Sainte-Geneviève et  la Bibliothèque nationale. Leurs vastes salles de lecture, couvertes de voûtes en fer apparent, comptent parmi les créations spatiales les plus extraordinaires de l’architecture européenne. Mise en scène par l’architecte Manuelle Gautrand, une exposition à la Cité de l'architecture fera redécouvrir l’œuvre et la pensée de cet architecte, contemporain d’Eugène Delacroix (1798-1863) et de Victor Hugo (1802-1885), et précurseur par bien des aspects de l’architecture de notre temps. Elle dépasse le cadre strictement monographique pour présenter la postérité de Labrouste et son influence sur plusieurs générations d’architectes.

L'expoition à la Cité de l'architecture à Paris est encore jusqu'au 7 janvier 2013.
Catalogue: Labrouste, architecte. éd. Corinne Bélier, Barry Bergdoll, Marc Le Cœur. Cité de l'architecture/Editions Nicolas Chaudun, Paris 2012. 272 S., € 42.–.

Freitag, 14. Dezember 2012

Die Gefahr der Verengung auf eine einzelne Identität

Eli Pariser (Foto: Kris Krug)
Gemäss Recherchen von Eli Pariser in seinem Buch «Wie wir im Internet entmündigt werden», arbeiten die Internetkonzerne an einer neuen Generation Internetfilter. Diese schaue sich an, «was Sie zu mögen scheinen – wie Sie im Netz aktiv waren oder welche Dinge oder Menschen Ihnen gefallen» – und ziehe entsprechende Rückschlüsse. Diese Technik produziere und verfeinere ohne Unterbruch eine Theorie zur Persönlichkeit des Nutzers und sage voraus, was dieser als Nächstes tun wolle. «Zusammen erschaffen diese Maschinen ein ganz eigenes Informationsuniversum für jeden von uns (...) – und verändern so auf fundamentale Weise, wie wir an Ideen und Informationen gelangen.»

«Man schaltet den Fernseher ein, um sein Gehirn abzuschalten. Und man schaltet den Computer ein, um sein Gehirn einzuschalten», sagte der 2011 verstorbene Applechef Steve Jobs an der Mac World 2004. Eli Pariser widerspricht ihm, wenigstens teilweise, wenn er schreibt: «Die personalisierte Filterung wird immer besser, und so werden wir immer weniger Energie für die Auswahl eines bestimmten Inhalts aufbringen werden.»

Seit 2009…
Die Bevormundung wurde mit der Lancierung von Google Instant im Jahr 2009 erstmals sichtbar: Die Suchmaschine gibt schon bei der Eingabe vor zu wissen, was man sucht. Nach Einschätzung von Sheryl Sandberg von Facebook kommen uns bereits in drei bis fünf Jahren Websites, welche nicht auf den einzelnen Nutzer abgestimmt sind, «seltsam veraltet» vor.

Je länger, desto mehr «ist es auch immer unwahrscheinlicher, dass wir mit verschiedenen Ansichten und Meinungen in Kontakt kommen.» Pariser warnt ausserdem vor Personalisierungsfiltern, welche bald auch Empfehlungen anderer aussortieren könnten.

Alte Medien sind anders
Natürlich stellt sich die Frage, ob nicht auch traditionelle Medien Inhalte ausklammern, zum Beispiel was nicht in ihr Konzept passt, oder das, was in den Augen der Medienmacher den Leser nicht interessiert? Ein Redaktor macht nach Pariser seine Arbeit nicht richtig, «wenn die Zeitung nicht zu einem gewissen Grad die Nachrichten des Tages repräsentiert.»
Ausserdem weiss der Konsument von Zeitungen, Onlinemedien und Fernsehsendern durch welche Filter diese die Welt betrachten. Die NZZ ist freisinnig oder das Schweizer Fernsehen und der Tagi links.

Die Internetfilter jedoch sind anders, unsichtbar: «Google sagt Ihnen nicht, für welche Person es Sie hält und warum es Ihnen die Ergebnisse zeigt, die Sie auf Ihrem Bildschirm sehen. Sie wissen nicht, ob die Annahmen zu Ihrer Person stimmen.»

Zwar lautet Googles Firmenmotto «Don't be evil». Auch Pariser glaubt nicht, dass das Unternehmen böse ist. Im Buch zitiert er aber einen Google-Suchmaschinenoptimierer mit den Worten: «Wir bemühen uns, nicht böse zu sein. Aber wenn wir wollten – oh Mann, dann könnten wir's so richtig.»

Das liebe Geld
Google und Facebook, um die beiden grössten zu nennen (aber auch z.B. Amazon) hängen sehr stark von gezielter, stark relevanter Werbung ab. Inhaltlich passende Werbeanzeigen, die Google neben den Suchergebnissen und auf Websites platziert, der Kern des Einnahmemodells. Auch bei Facebook ist Reklame die einzige bedeutende Einnahmequelle.

Die Personalisierungsmethode Googles stützt sich auf den Verlauf und die Klicksignale, aus welchen geschlussfolgert wird, was wir mögen oder nicht eben nicht mögen. Die Methode Facebooks ist grundlegend anders: Zwar verfolgt auch das Netzwerk die Klicks der Benutzer, aber es erschliesst sich deren Identität vor allem, «indem es sich anschaut, welche Links wir teilen und mit wem wir es zu tun haben.» Als alternative Suchmaschine kann Ixquick empfohlen werden, welche als Metasuchmaschine die Resultate vieler anderen transparent zusammenstellt und keine Benutzerdaten speichert.

Mangelhafte Methoden
Beide Personalisierungsmethoden geben aber nicht richtig wieder, wer wir sind. Facebook-Gründer Zuckerberg behauptet, wir hätten nur eine Identität. Dies ist jedoch grundlegend falsch, wie ich bereits vor drei Jahren in «Identitäten im Internet – das Ende der Anonymität?» dargelegt habe. Eigenschaften von Menschen sind, wie Pariser schreibt, «auffallend fliessend». Selbst tief verwurzelte Charakterzüge können – das wissen Psychologen – je nach Situation verändert werden. Dieses «Problem der einen Identität» zeigt, wie gefährlich es ist, persönliche Details an Firmen weiterzugeben, die eine falsche Vorstellung von Persönlichkeiten haben: «Uns stehen verschiedene Identitäten zur Verfügung, um mit den Anforderungen verschiedener Rollen und Gruppen fertig zu werden. Und es geht etwas verloren, wenn innerhalb der Filter Blase alles gleichgemacht wird», warnt Pariser.

Für Pariser drängt die Filter-Blase die Bürger im Endeffekt weg von der Demokratie. Diese könne nur funktionieren, wenn die Bürger in der Lage seien, über ihre Eigeninteressen hinauszudenken. Die Filter drängen uns in die entgegengesetzte Richtung – sie vermittelt den Eindruck, als sei unser Eigeninteresse alles, was es gibt. «Das mag eine tolle Erfindung sein, um Menschen zum Onlineshopping zu motivieren, es ist aber kein guter Weg, um Menschen gemeinsam bessere Entscheidungen treffen zu lassen.»

Seit Nixon ist das Problem bekannt – im Prinzip
Vor fast 40 Jahren plädierte die US-Regierung unter dem damaligen Präsidenten Richard Nixon für die Einforderung der echten Kontrolle über unsere Daten (Fair Information Practice). Diese umfasst folgende Punkte:
  • Wir sollten wissen, wer welche persönlichen Daten über uns hat und wie diese verwendet werden.
  • Wir sollten verhindern können, dass zu einem bestimmten Zweck gesammelte Informationen für einen anderen Zweck eingesetzt werden.
  • Der Nutzer muss falsche Informationen über sich korrigieren können.
  • Die gesammelten Daten sollten sicher sein.
Leider aber warte die Gesellschaft 2012 immer noch darauf, dass diese Prinzipien durchgesetzt werden. Auch wurde die Frage nie geklärt, wie diese Prinzipien umgesetzt werden sollen; wer und mit welchem Recht er die Oberaufsicht habe.


Bibliographie
• Eli Pariser: Filter Bubble: Wie wir im Internet entmündigt werden. (Hanser, 2012)
• Etienne Ruedin: Identitäten im Internet – das Ende der Anonymität? (Benziger, 2009)
• siehe auch Artikel:

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Die Bibliothek als Garten für den Geist

Bibliothek Sainte-Geneviève, Paris.

Henri Labrouste, dem Architekten der französischen Nationalbibliothek wurde 1976 das letzte Mal eine Ausstellung gewidmet. Eine Werkschau entwirft nun ein differenziertes Portrait dieses Giganten des 19. Jahrhunderts.

Labroustes Werk ist gezeichnet durch die künstlerische Prägung durch einen fünfjährigen Studienaufenthalt in der Villa Medicis als Träger des Prix de Rome, die schöpferische Tätigkeit fast ausschliesslich im Staatsdienst (er entwarf Gefängnisse und Irrenhäuser) oder die seinerzeit neuartige Verwendung von freiliegenden Metallstrukturen. Letztere charakterisieren auch Labroustes zwei Hauptwerke.

Die 1850 eröffnete Bibliothèque Sainte-Geneviève, in Frankreich die erste spezifisch als solche entworfene Bücherei, ist ein Bau voll subtiler Überraschungen. Die Fassade zur Place du Panthéon hin bildet eine völlig regelmässige und mit ihren schmalen, fast schartenartigen Rundbogenfenstern auch leicht abweisende Fläche – eine Schreibfläche, deren Hauptzier die gravierten Namen von 810 Autoren bilden. Ein Türchen gibt den Weg frei auf das dunkle Vestibül: ein mysteriöser gemalter Garten, von dem aus eine von oben her erleuchtete Treppe zum Lesesaal im Obergeschoss führt. Dieser fasziniert mit der unerwarteten Deckenhöhe seiner beiden Tonnengewölbe und mit den schmiedeeisernen Kolonnen und Gewölbebögen, die aus dem Mauerwerk herauszuwachsen scheinen. Ihre Arabesken evozieren Sonne und Mond – das Spiel von Licht und Schatten ist denn auch eine der herausragenden Qualitäten des als erster Pariser Studienort mit Gasbeleuchtung ausgestatteten Ausnahmebaus.

Als solchen muss man auch die heutige Nationalbibliothek an der Rue de Richelieu bezeichnen, die derzeit aufwendigen Renovationsarbeiten unterzogen wird. Labrouste vereinheitlichte das disparate Gefüge aus klassischen Hôtels particuliers, prägte dem Komplex mit der Schaffung des 1868 eröffneten Lesesaals und des angrenzenden Büchermagazins aber auch seinen ureigenen Stempel auf. Der Lesesaal ist extraordinär: Neun mittig durch Oculi durchbrochene Kuppeln schweben wie weisse Krinolinen mit bunt bestickten Borten hoch über den Köpfen der Studierenden; die ornamentierten Eisenbögen, die sie tragen, ruhen auf sechzehn delikat dekorierten schmiedeeisernen Kolonnen. Der Eindruck von Luftigkeit und Lichtfülle dieses Gartens für den Geist ist atemraubend. Das fünfstöckige, dezidiert funktionale Magazin seinerseits leitet das von Sheddächern gespendete Oberlicht durch schmiedeeiserne Gitterböden hindurch bis zum untersten Geschoss hinab – mit seinen Laufstegen evoziert der Riesenraum den Maschinensaal eines Ozeandampfers.

Als Gesamterscheinung erscheint Labrouste als vielseitiger, komplexer, und bei allem Rationalismus auch poetischer Schöpfer – wovon nicht zuletzt seine von Sensibilität vibrierenden Zeichnungen zeugen. So empfiehlt sich die Schau in der Cité de l'architecture, die mit einer breiten Palette an Exponaten aufwartet, darunter superben, zum Teil über hundertjährigen Modellen. Auch beleuchtet sie vertieft Labroustes Nachleben: das Wirken seiner Schüler und seine Rezeption in Europa (wo Sigfried Giedion ihn polemisch instrumentalisierte) und in den USA. Im Schlusskapitel spannen die Kuratoren, Corinne Bélier von der Cité de l'architecture, Barry Bergdoll vom Museum of Modern Art in New York (wohin die Schau 2013 weiterzieht) und Marc Le Cœur von der Bibliothèque nationale de France, den Bogen von Labrouste über Louis Sullivan bis hin zu den Brüdern Perret, Frank Lloyd Wright und Pier Luigi Nervi.

Die Ausstellung dauert bis am 7. Januar 2013.
Katalog: Labrouste, architecte. Hrsg. Corinne Bélier, Barry Bergdoll, Marc Le Cœur. Cité de l'architecture/Editions Nicolas Chaudun, Paris 2012. 272 S., € 42.–.

Quelle: Marc Zitzmann in: NZZ, 21. November 2012.