Sonntag, 2. Januar 2011

Wer twittert, muss die Haustüre nicht mehr abschliessen - Eine sinnlose Warnung

In Social Networks gilt es als normal und erwünscht, alles mögliche preiszugeben. Wie bescheuert das ist, macht die niederländische Webseite PleaseRobMe klar - indem sie Twitter dazu nutzt, Einbrecher auf aktuell unbeaufsichtigte Wohnungen aufmerksam zu machen. Ein toller Service.

«11 Uhr. Muss jetzt in den Flieger.» So liest sich das, wenn ein Twitter-Süchtiger die Welt an den Wasserstandsmeldungen seines Lebens teilhaben lässt: Alles vom Fernflug bis zur Flatulenz wird treulich protokolliert. Mitunter ist das weniger belanglos, als man im ersten Moment glaubt. Denn selbst Kommunikations- Koprolithen wie «Bin im Cafe. Lecker.» oder «Noch sieben Stunden. Hab ich die Katze rausgelassen?» könnten für bestimmte Berufsgruppen relevant sein.

Für Einbrecher zum Beispiel, dachten sich drei fleißige Netz-Nutzer und Social-Web-Fans aus Holland. Mit Befremden, hätten sie beobachtet, wie Spieler des Onlinespiels Foursquare bei Twitter ihre Statusmeldungen abgaben, wo sie sich in der realen Welt gerade befinden. Verbindet man nun Foursquare-Daten und Twitter-Meldungen, kann man feststellen, wo die Spieler leben - und bekommt dann per Twitter Bescheid, ob sie gerade zu Hause sind oder nicht.

Was für ein Service für Langfinger, dachten sich die drei Niederländer - und setzten mit PleaseRobMe («Bitte, raub mich aus!») eine Mashup-Seite in bester Web-2.0-Manier auf, die die Daten aus Foursquare und Twitter verbindet. Zwei an sich harmlose, vermeintlich belanglose Datenströmchen fließen da ineinander, die für den, der sie zu lesen versteht, höchst interessant sind. Natürlich ist das nicht wirklich als Einbrecher-Service gemeint, sondern als Warnung und Mahnung: Die Niederländer wollen Netz-Nutzern vor Augen führen, was sie da eigentlich treiben mit ihrem freigiebigen Umgang mit Daten.

Zumal sich solche Daten ja mit weiteren, ebenfalls vermeintlich harmlosen Quellen verbinden lassen, die anderenorts im Web stehen: Bei Facebook oder anderen Social-Network-Seiten erfährt man etwas über Beruf und Lebensumstände (verheiratet? allein lebend? wohlhabend?). Bei Google Maps lässt sich das Umfeld sondieren, der Fluchtweg planen. Bei Earth hat der stolze Haus- oder Eigentumswohnungsbesitzer dann vielleicht noch Fotos veröffentlicht: Mein Haus, mein Garten, meine Hintertür, mein Wohnzimmer, mein Flachbildfernseher? Und vielleicht hat der freundliche Twitter-Nutzer, der gerade seinen Flieger bestieg, ja auch seinen Abwesenheitagenten im Mailprogramm aktiviert. Auf dass man seine Diebestour in aller Ruhe vorbereiten und planen kann: «Bin bis zum 19. März verreist. In dringenden Fällen bitte...»

Genau auf solche Zusammenhänge und Möglichkeiten wollen die PleaseRobMe-Betreiber hinweisen. Bis vor kurzem galt es als fragwürdig, wenn man im Internet seinen vollen Namen nannte. Dieser Punkt wird heute um tausend Meilen überschritten. Im Grunde ist PleaseRobMe höchst profan, eine einfache Twitter-Suche. Jeder, der ein wenig HTML und Javascript beherrscht, kann so etwas programmieren. Es sei nahezu lachhaft, wie einfach das alles ist. Aber wen kümmert es? Ich muss noch rasch eine Statusmeldung abgeben, sonst verliere ich demnächst ein paar Freunde!

Quelle: Der Spiegel 20. Februar 2010